MGV „Eintracht“ Honrath 1882

AUGUST DER STARKE

Eine aristokratische Erscheinung, so ließ er sich malen. 1,76 Meter groß, buschige Augenbrauen, wulstige Lippen, dazu das engelsgleiche lange Haar. Der junge Herzog konnte gut reiten und streiten, er verstand sich auf Ringelrennen wie auf Fahnenschwingen. Beim Schießen hatte er sich, im Kampf gegen die Franzosen, vor Übereifer gar den halben Daumen weggeschossen. Als ihn eine sogenannte Kavalierstour in „fremde Lande“ führte, studierte er in halb Europa die Geheimnisse des anderen Geschlechts. Als dieser Hallodri Herrschaft über das Volk der Sachsen übernahm, begann die märchenhafte Geschichte eines Monarchen, der in Deutschland einzigartig blieb. Nur einmal vergab die Weltgeschichte einen Beinamen, den ausschließlich ein Regent tragen konnte, der als Mann voller Kraft und als Fürst so kreativ wie lustvoll sein mußte: August der Starke.
Friedrich August I, als Zweitgeborener für Herrschaftszwecke nicht ausgebildet, war 24 Jahre als er 1694 nach dem jähen Tod seines Bruders den Thron bestieg. Er brauchte ganze drei Jahre, da war er nicht nur Kurfürst von Sachsen, sondern auch König von Polen. Die Krone erwarb er zwar mit einer bis dahin unbekannten Korruptionskampagne, die den gesamten polnischen Adel umfaßte, aber das zählte so zu seinen Tricks. August war ein Saufbold, ein Mann des Luxus und der Moden, maßlos in allem, sinnlich und schwelgerisch. Vieles nahm er schon vorweg, was heute als modern gilt: als „sächsischer Herkules“ etwa trieb er einen Kult wie Popstars, mit Buttons, posterartigen Gemälden. Überall markierte er sein „AR“-Zeichen, für Augustus Rex, den Herrscher, auf Wegsäulen und Sänften, Türen und Portalen. Es gab August-Rex-Vasen aus einer Manufaktur und Münzserien, die die Stationen seiner Veranstaltungen wie ein Fotoroman festhielten. Im Zwinger ließ er sich gar als Athlet mit einer großen Weltkugel verewigen. August Superstar des Barock. Prunk und Herrlichkeit verdeutlichen seinen imperialen Anspruch, aber sie sollten auch zeigen, wie groß, wie mächtig, wie wirtschaftlich erfolgreich der ganze Staat war. Am eindrucksvollsten gelang das August mit der Präsentation seiner Schätze in schnell berühmt gewordenen Grünen Gewölbe, im ehemaligen Staatstresorraum des Schlosses. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die 3100 Werke aus Gold, Silber und Edelsteinen, Glas, Bronze und Messing erst ausgelagert, dann von den Sowjets nach Moskau und Leningrad gebracht. Heute ist im Albertinum etwa die Hälfte davon ausgestellt. Nirgendwo sah man solches Grün wie etwa in der Smaragdgarnitur, nirgendwo so technisch-künstlerische Wunderwerke der Steinschneide- und Goldschmiedekunst, die alle Moden der Zeit überlebten.